Maurice Huke - Stehaufmännchen schafft den Durchbruch

21.04.2017

Glück – das hatte der Wattenscheider Kurzsprinter Maurice Huke in den letzten Jahren wenig. Von einem schweren Muskelbündelriss bis zur langwierigen Schambeinentzündung: Jahrelang verhinderten Verletzungen den Sprung in die deutsche Spitze. Am fehlenden Talent lag es beim jungen Sprinter (Jahrgang 1993) nicht, wie die Erfüllung der U20 EM-Norm im Jahr 2011 beweist. Doch auch dieser erste internationale Start wurde ihm von einer Verletzung genommen.

Bei der Deutschen Hallenmeisterschaft in Leipzig Anfang März gelang dem Sohn von TV01-Manager und Ex-Olympia-Sprinter Michael Huke dann der große Befreiungsschlag: Silber über 60 Meter, Bronze über 200 Meter und sogar eine Zeit von unter 21 Sekunden -so lautete die Bilanz des Underdogs. „In der Halle ist er noch nicht unter 21 Sekunden gelaufen“, grinst Maurice in Anspielung auf seinen Vater. „Wir necken uns schon mal ein bisschen und das ist auch cool“ erzählt Maurice. „Aber Druck gibt es da keinen. Vor allem ist da positive Energie zwischen uns beiden und die Leichtathletik war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich war schon als kleiner Stöpsel im Trainingslager auf Lanzarote.“

Besondere Motivation von außen braucht der junge Sprinter zurzeit ohnehin nicht. Mit der Nominierung für die 4x200 Meter-Staffel-Weltmeisterschaft in Nassau (Bahamas) am kommenden Sonntag wartet nun das größte Highlight seiner Karriere auf ihn. „Bei den Deutschen Hallenmeisterschaften habe ich schon erfahren, dass ich für so ein Event nun in Frage kommen kann. Das hat mich total überwältigt“, erinnert sich Huke. „Als die Nominierung dann endgültig draußen war, war ich allerdings schon in Amerika-Trainingslager mit dem DLV. Das war natürlich genial.“

Vom Profi-Dasein weit entfernt

Der Start bei der Weltmeisterschaft und zwei DM-Medaillen sind gleichzeitig der Lohn für einen jahrelangen Kampf gegen Verletzungen, Rückschläge wie dem Entzug des Kaderstatus und Selbstdisziplin. Denn neben dem Sport arbeitet Huke mit einer 60-prozentigen Stelle. „Wenn man abends beispielsweise bis 17 Uhr gearbeitet hat und dann noch eine Dreiviertelstunde zum Training fahren muss, dann schlaucht das schon“, skizziert Huke, der in der Regel an drei Tagen in der Woche voll arbeitet, seinen Alltag. „Und wenn es dann drei Tage hintereinander so ist, dass man abends um 21 Uhr vom Training nach Hause kommt und dann noch was kochen muss, dann haut das rein. An den Tagen bleibt nicht viel, um seinem Körper mal etwas Gutes zu tun“, so Huke. An diesen Tagen komme zum Beispiel Physiotherapie zu kurz. „Das muss ich dann auf meine freien Tage verlegen. Da habe ich dann aber meistens Doppeleinheiten“, erzählt der zweifache Medaillengewinner der Hallen-DM. „Das ist schon nicht so einfach, aber es geht schon. Dreimal pro Woche kann man dann schon irgendwie mit dem Sport vereinbaren. “ Das ist es wieder, das Stehaufmännchen Maurice Huke.

Sein Verletzungspech hat Huke schon in jungen Jahren reifer werden lassen. „Ich denke, es ist ganz wichtig, zweigleisig zu fahren, weil man vom Sport alleine nicht so gut leben kann“, sagt er. Auch wenn in guten Jahren in der nationalen Spitze alles mehr oder weniger funktionieren würde, sieht man, wie ihn die Verletzungen geprägt haben: „Wenn man dann aber eine krasse Verletzung hat und später mit dem Sport aufhört, kann man sich nicht wie ein Fußballer genug zusammensparen und davon weiterleben“, blickt Huke voraus, der aber dennoch seine Prioritäten setzt. „Solange es noch geht, steht der Sport für mich ganz oben. Wenn ich jetzt die Möglichkeit hätte, mich für eine absehbare Zeit nur auf den Sport zu konzentrieren, dann würde ich das machen“, sagt er. „Man muss für diesen Sport einfach brennen, ansonsten braucht man es gar nicht zu machen.

Familie und Trainingsgruppe gibt ihm Kraft

Neben seinem Arbeitgeber, der Huke eine recht flexible Arbeitsstelle anbietet und seinem Verein TV Wattenscheid 01, der Physiotherapie sowie Trainingsstätten stellt und ihm finanziell unter die Arme greift, ist vor allem sein privates Umfeld Hukes wichtigster Rückhalt. „Meine Familie, Freunde und meine Freundin unterstützen mich seelisch und sind bei fast jedem Wettkampf vor Ort, egal wie weit er weg ist“, berichtet der Sprinter. „Und sie päppeln mich eben auch wieder hoch, wenn es gerade mal nicht so gut läuft.“ Die starke Wattenscheider Trainingsgruppe hilft dem Athleten, noch mehr aus sich herauszukitzeln. „Wir haben bei vielen Einheiten eine Art Wettkampf zwischen uns, etwa wenn wir aus dem Block starten oder Tempoläufe machen. Ich denke, dass das enorm hilft, um mehr an meine Grenzen zu gehen und nicht alleine leiden zu müssen“, freut sich Huke über die starke Teamunterstützung. Unter anderem gehört auch der Deutsche Hallenmeister über 200 Meter, Robin Erewa, zur Trainingsgruppe. In Leipzig lief Erewa die zweitschnellsten 200 Meter eines Deutschen unterm Hallendach aller Zeiten.

Auf den Spuren von Maurice Greene

Nun gilt es für Huke die starken Resultate der Wintersaison zu bestätigen. „Das Training hier in Amerika lief richtig gut und ich bin guter Dinge, was die Bahamas angeht. Ich möchte mit den Jungs dort ein cooles Rennen abliefern“, blickt er voraus. „Ich denke, ich kann da anknüpfen, wo ich in der Hallensaison aufgehört habe. Jetzt habe ich zwei Einzelmedaillen in der Halle geholt. Warum sollte ich nicht mal versuchen, auch im Sommer eine Einzelmedaille zu holen?“

Trotz der großen Ziele bleibt das Jahr 2017 für ihn eine Übergangssaison auf dem Weg zur Heim-EM in Berlin. „Die Unterstützung, die die deutschen Athleten bei der Weltmeisterschaft in Berlin bekommen haben, war so grandios, dass ich heute noch Gänsehaut kriege. Das würde ich einfach gerne mal selber erleben“, wünscht sich Huke, der nach dieser Wintersaison auch seinem Vorbild Maurice Greene ein Stück nähergekommen ist. „Ich fand ihn schon immer cool, weil er einfach einen enorm tollen Laufstil hat. Das ist eine richtige Mischung aus Eleganz und kraftvollem Rennen. Er ist jetzt eher ein 60 Meter-Spezialist, deswegen konnte ich mich nicht so ganz mit ihm identifizieren, aber nach meiner Hallensaison habe ich dann gesehen, dass ich die 60 Meter auch kann. Das ist umso cooler“, lächelt der junge Sprinter.